Mecklenburg und Pommern – Überlegungen und Fragen

In den sechs Kapiteln der Ausstellung »Neue Anfänge nach 1945?« werden Erkenntnisse und Thesen zur Entwicklung in den nordelbischen Kirchen mit der Entwicklung in der (alten) Bundesrepublik verbunden. Wie könnte eine ähnliche Betrachtung der Nachkriegsentwicklung in den Kirchenkreisen von Mecklenburg und Pommern aussehen?

Wie wirkten hier die ideologischen Denkweisen der NS-Zeit fort? Auf welche Weise, gegen welche Widerstände konnte hier eine kritische Auseinandersetzung mit der eigenen kirchlichen Rolle im Nationalsozialismus zustande kommen? Wie stark wurde diese Auseinandersetzung von SED-Vorgaben und Denkmustern beeinflusst, überlagert oder verhindert?

Welche dieser Fragen sind weiterführend, welche verfehlt, welche müssten ergänzt werden?

Heimatvertriebene, Flüchtlinge und »Displaced Persons«

Flucht aus den deutschen Ostgebieten vor den vorrückenden Truppen der Roten Armee, Frühjahr 1945; Flüchtlingsfamilie in einem Dorf in Ostpreußen, im Hintergrund ein sowjetischer Posten.
Al. Less, AKG108463

Das erste Ausstellungskapitel wendet sich dem großen Thema der unmittelbaren Nachkriegszeit zu und beleuchtet die zentrale Rolle der Nordelbischen Kirche bei der Integration der Flüchtlinge und Vertriebenen aus den Ostgebieten.

Schon sehr bald nach Kriegsende nahm die Bevölkerung im Westen vor allem die Not der Vertriebenen wahr und verband sie mit den eigenen Nöten. So überdeckte die Gewalt der Vertreibung durch die Rote Armee die Verbrechen des nationalsozialistischen Angriffskrieges und Gefühle der eigenen Schuld und Verantwortung.

Wie Schleswig-Holstein gehörten auch Mecklenburg und Vorpommern damals zu den Hauptaufnahmeländern. Flüchtlinge und Vertriebene aus dem Osten, überwiegend mittellos und sehr heterogen in Sprache und Kultur, stellten hier etwa fünfzig Prozent der Bevölkerung. Die Kirchengemeinden engagierten sich bei ihrer Eingliederung.

Allerdings ging die SBZ/DDR anders mit ihren Flüchtlingen um. Die brutalen Ereignisse bei der Befreiung vom Nationalsozialismus durch die Sowjetarmee durften nicht thematisiert werden. Die Vertriebenen durften ihre Traditionen und Bräuche nicht pflegen; angestrebt wurde soziale Verschmelzung. Eine offene Debatte über die tatsächlichen Ursachen von Flucht und Vertreibung, die im nationalsozialistischen Eroberungs- und Vernichtungskrieg wurzelten, war in der SBZ/DDR politisch nicht erwünscht, wenn auch aus anderen Gründen als im Westen Deutschlands.

Waren die Kirchen Orte des Austauschs über Verlust und Gewalt?

Antisemitismus und neue Begegnungen

Das zweite Kapitel behandelt das Desinteresse der Kirchen im Westen am Ausmaß der Judenverfolgung und an der trostlosen Situation der jüdischen Überlebenden.

Auch im Osten gab es kaum Bereitschaft, die Erfahrungen der wenigen jüdischen Überlebenden anzuhören. Die Unterstützung der Kirchen galt den Kriegsgefangenen und den vom neuen Regime Verhafteten.

Die Überhöhung des kommunistischen Widerstands in der SBZ/DDR bewirkte Hierarchisierung und Ausgrenzung unter den Opfern des NS-Terrors, von denen jüdische Überlebende zunehmend betroffen waren. Jüdische Opfer wurden als »Widerstandskämpfer« vereinnahmt oder sozial degradiert und vom Gedenken ausgeschlossen. Als passive »Opfer« erhielten sie weniger politische und materielle Anerkennung als die antifaschistischen »Kämpfer«. Seit den stalinistischen Schauprozessen gegen jüdische »Verschwörer« in Prag 1952 und den darauf folgenden Verhaftungs- und Fluchtwellen entwickelte sich in der DDR eine fatale Verbindung von altem Antisemitismus und neuer Israelfeindschaft.

Einige Kirchengemeinden hatten sich allerdings schon früh darum bemüht, geschändete jüdische Friedhöfe wieder herzurichten. Die meisten Orte jüdischen Lebens blieben in der DDR jedoch weitgehend vergessen, bis endlich im Jahr 1988 das Thema Völkermord an den Juden in die staatliche Gedenkpolitik aufgenommen wurde.

Engagierte Gemeindeglieder versuchten auch schon früh, einen jüdisch-christlichen Dialog zu beginnen. Aus der kirchlichen Arbeit heraus wurde zudem vereinzelt das SED-Diktum in Frage gestellt, in einer sozialistischen Gesellschaft sei der Antisemitismus prinzipiell überwunden.

Jüdischer Friedhof in Niederhof, Kirchengemeinde Brandshagen, nach 2008; 1964 wurde der Friedhof zum Kulturdenkmal erklärt. Ein aus Bruchstücken zerschlagener Grabsteine zusammengefügter
Gedenkstein trägt die Inschrift: »Errichtet im Gedenken derer die hier in Frieden ruhen und zum Gedenken der sechs Millionen ermordeten jüdischen Menschen«.
ullstein bild – grafikfoto.de/Michael Ruff

NS-Täter und Kriegsverbrecher im Schutz der Kirche

Walter Grundmann, »Die Entjudung des religiösen Lebens als Aufgabe deutscher
Theologie und Kirche«, Jena 1939
Titelblatt https://de.wikipedia.org/wiki/Walter_Grundmann

Das dritte Kapitel zeigt die Bereitschaft der Kirche im Westen, nationalsozialistische Funktionäre, SS-Angehörige und sogar verurteilte Kriegsverbrecher in Schutz zu nehmen und ihnen kirchliche Ämter zu übertragen. Ein »Schlussstrich« sollte die Auseinandersetzung mit Tat und Tätern beenden.

In der DDR war die Evangelische Kirche aufgrund ihrer beschränkten Einflussmöglichkeiten meist nicht in der Lage, NS-Täter zu schützen. Die glänzende Nachkriegskarriere des antisemitischen NS-Theologen Walter Grundmann zeigt allerdings eine Parallele zur Entwicklung im Westen. Andererseits konnte sich gerade im kirchlichen Umfeld ein zivilgesellschaftlicher »Antifaschismus von unten« entwickeln, der sich nicht mit der SED-Behauptung begnügte, der Nationalsozialismus sei nach der Überwindung des Kapitalismus mit den Wurzeln ausgerottet.

Die kirchliche Entwicklung in Mecklenburg und Pommern war widersprüchlich. Einerseits unterstützte die Synode, wie im Westen, die aus politischen Gründen Inhaftierten, unter denen sich politische Gegner des neuen Regimes, willkürlich Verhaftete und NS-Belastete befanden. Bei der Sowjetischen Militäradministration erbat sie deren Entlassung, »vom Vorwurf eines Kriegsverbrechens befreit«. Ehemalige NSDAP-Mitglieder übernahm sie für Verwaltung und Religionsunterricht.

Andererseits setzte die mecklenburgische Kirche nach der Ablösung des antisemitischen NSDAP-Landesbischofs Walther Schultz durch die Entscheidung für persönlich integre Bischöfe ein deutliches Zeichen für die Abkehr von der NS-Vergangenheit. Eine offene Aufarbeitung konnte allerdings nicht stattfinden.

Streit um Schuld und Mitverantwortung

Das vierte Ausstellungskapitel befasst sich mit der »Stuttgarter Schulderklärung« vom Oktober 1945 und dem, was in diesem Dokument verschwiegen wurde. Eine an die Juden gerichtete Schulderklärung kam auch in den Kirchen von Mecklenburg und Pommern nicht zustande.

Landesbischof Niclot Beste lobte die Bekennende Kirche der NS-Zeit für ihre »konsequente Haltung« – die konsequent nur gegenüber den Deutschen Christen war, nicht jedoch gegenüber dem NS-Regime. Die Barmer Theologische Erklärung der Bekennenden Kirche von 1934, ein Dokument des Widerstehens gegen die Vorherrschaft weltlicher Ideologien, wurde hingegen formell nicht anerkannt.

Auch generell mochte man über die »Unrechtmäßigkeit der mecklenburgischen Kirchenleitung« in der NS-Zeit nicht mehr diskutieren. Erst die 1958 als gesamtdeutsche Organisation im Kontext der EKD gegründete »Aktion Sühnezeichen Friedensdienste« bekannte sich zur gesellschaftlichen Schuld an den NS-Verbrechen und wandte sich damit auch gegen den ritualisierten Antifaschismus in der DDR.

Wie wurden in der Mecklenburgischen und Pommerschen Kirche die NSDAP-Mitglieder integriert? Wie nahm man dort die »Stuttgarter Schulderklärung« von 1945 auf? War man bereit, das Schuldbekenntnis auch im Blick auf die eigene kirchliche Rolle hin zu reflektieren?

Signet der Aktion Sühnezeichen bei der Gründung, 1958;
Aktion Sühnezeichen Friedensdienste e.V.

Haltung zu Krieg und Wiederaufrüstung

Emblem der unabhängigen Friedensbewegung in der DDR, 1980er-Jahre; Das Zitat aus der Bibel, verbunden mit der Darstellung einer sowjetischen Skulptur vor dem UNO-Gebäude in New York, wurde vor allem als Aufnäher populär, auch in der Bundesrepublik.
Robert-Havemann-Gesellschaft/RHG_Fo_HAB_17414

Im fünften Kapitel wird der Beitrag dezentraler kirchlicher Initiativen zur Friedensbewegung im Westen geschildert. Ein wesentliches Motiv für ihr Engagement war der vom NS-Regime verschuldete Krieg.

Auch im Osten berief sich die Kritik einiger weniger Kirchenleitungen an der Wiedereinführung der Wehrpflicht 1962 auf die Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs. Sie setzten sich für »gesetzlichen Schutz der Wehrdienstverweigerer aus Glaubens- und Gewissensgründen« ein, unterstützten das von der SED angebotene waffenlose »Bausoldatenkonzept« als ersten Schritt zu einem sozialen Wehrersatzdienst und wandten sich 1965 in einer innerkirchlich allerdings umstrittenen, von der SED als staatsfeindlich abgelehnten »Handreichung« gegen atomare Aufrüstung in West und Ost.

Die kirchlichen Friedensbewegungen in der Bundesrepublik und der DDR waren vielfach miteinander verbunden. Wie stark war die Unterstützung der Friedensbewegung in der Mecklenburgischen und Pommerschen Kirche? Welche Gemeinsamkeiten und welche Unterschiede gab es zwischen Ost und West? 

Antikommunismus und Diffamierungen

Das sechste Kapitel gibt Einblick in das schwierige Spannungsfeld des Ost-West-Konflikts, das auch die Kirchen ganz unmittelbar geprägt hat.

Schon lange bevor im Westen Kirchenleute, die sich für Versöhnung mit den östlichen Nachbarländern einsetzten, als »vom Osten gesteuert« verleumdet wurden, sahen sich die Jungen Gemeinden in der DDR mit dem Vorwurf konfrontiert, sie seien »von westdeutschen und amerikanischen imperialistischen Kräften dirigiert«. Im westlichen Nachkriegsdeutschland war das nationalsozialistische Feindbild des »Bolschewismus« fast nahtlos in eine dauerhafte und harte antikommunistische Grundhaltung übergegangen.

Am Beispiel des Gemeindelebens in Mecklenburg und Pommern könnte Fragen nachgegangen werden, ob und wie dieses Feindbild in der sozialistischen DDR unter dem Zeichen einer politisch verordneten Freundschaft mit den sowjetischen Befreiern in anderen Formen weiterlebte und welche anderen Feindbilder das gesellschaftliche Leben prägten.

DDR-Briefmarke mit Josef Stalin und DDR-Präsident Wilhelm Pieck unter dem Emblem der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft, 1951; privat

Evangelisch-Lutherische Landeskirche Mecklenburg

Vor dem Zusammenschluss 1934 gliederten sich Mecklenburg und seine Landeskirchen in die Herzogtümer – nach 1918 in die Freistaaten – Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz. Beide Landeskirchen gaben sich nach 1918 eine synodale Verfassung und wählten Landesbischöfe. Das Verhältnis der Kirche zu Demokratie und Weimarer Republik war distanziert.

Seit 1932 sympathisierten weite Teile der mecklenburgischen Landeskirchen mit der aufstrebenden NS-Bewegung. Im neuen Staat hoffte man die christliche Volkskirche wieder fest verankern zu können. Ab September 1933 stellten aufgrund eines rechtlich fragwürdigen Wahlverfahrens in Mecklenburg-Schwerin die nationalsozialistischen Deutschen Christen die Mehrheit in der Landessynode. Sie entmachteten Heinrich Rendtorff, der seit 1930 Landesbischof war, und schufen das Amt eines »Landeskirchenführers«, dem sowohl die Befugnisse der Landessynode als auch die des Landesbischofs übertragen wurden. In das neue Amt wählte die Synode den Führer des NS- Pastorenbundes Walther Schultz.

Als Reaktion bildete sich der mecklenburgische Pfarrernotbund oder Landesbruderrat der Bekennenden Kirche. Anfang 1934 schlossen sich die beiden mecklenburgischen Landeskirchen zu einer Landeskirche mit Sitz in Schwerin zusammen. Walther Schultz wurde Landesbischof und führte die Landeskirche auf einen radikalen antisemitischen Kurs.

Blick aus der im Zweiten Weltkrieg zerstörten Jakobikirche,
einst ein Wahrzeichen der Stadt, Rostock 1955
Im Hintergrund die Lange Straße, deren Wiederaufbau als
sozialistische Prachtstraße bereits 1949 begonnen hatte.
Bundesarchiv, Bild 183299320001,
Foto: Levermann; Westerholz

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde Schultz von den britischen Alliierten verhaftet und bei deren Abzug in ein Internierungslager in Schleswig-Holstein überführt. Nach seiner Entlassung bemühte er sich vergeblich um Übernahme in die schleswig-holsteinische Landeskirche; schließlich wurde er von der Hannoverschen Landeskirche beschäftigt. In Mecklenburg übernahm die Bekennende Kirche die vorläufige Kirchenleitung; 1946 wurde Niklot Beste zum Landesbischof gewählt. Tiefgreifende Veränderungen stellten die Kirche vor neue Herausforderungen.

Der Wiederaufbau, die Integration von Flüchtlingen, Einnahmeverluste in Folge der Bodenreform und entfallender Patronatsleistungen, Ausgrenzung aus der Volksbildung, wirtschaftliche Not und sozialer Wandel verlangten nach Antworten. Notkirchen wurden errichtet, Pastoren und Kirchengemeinden gründeten Kinderheime, Jugendarbeit und Studentengemeinde erlebten einen Aufschwung.

Auch wenn die Kirche zur Bewältigung der ersten Nachkriegsprobleme noch gebraucht wurde, sahen Staat und Partei sie im totalitären System der DDR als feindlichen Fremdkörper an. Gleichwohl gab es neben »Zeiten unerbittlicher Konflikte« – zum Beispiel die Auseinandersetzungen um die Junge Gemeinde 1952/53 und um die Jugendweihe, die »Boykotthetze«-Prozesse und der Verfassungskonflikt 1957/58 – auch »Abschnitte von partiellem Zusammenspiel«, so der Theologe Martin Onnasch. Kooperationen entstanden etwa bei Kirchenbau und Denkmalpflege oder im Bereich diakonischer Tätigkeit, nachdem die Kirche seit Ende der 1950er-Jahre vollständig aus der Jugenderziehung verdrängt worden war.

Mit der Wahl Heinrich Rathkes zum Landesbischof begann eine Phase deutlicher Abgrenzung zum Staat und seinen Einflussversuchen. Diese Politik wurde auch unter Rathkes Nachfolger Christoph Stier konsequent fortgesetzt – mit dem Erfolg, dass die Landeskirche in vergleichsweise geringerem Umfang von der Staatssicherheit unterwandert und zersetzt war.

An der friedlichen Revolution hatten die Kirchen auch in Mecklenburg erheblichen Anteil. Fast überall fanden im Herbst 1989 besondere Gottesdienste statt. Das Verhältnis der Kirchen zum Bundesland Mecklenburg-Vorpommern regelte 1994 der Güstrower Vertrag. Von den 1200 000 Mitgliedern 1952 hatte die Landeskirche Mecklenburgs Anfang 2012 noch etwa 193 000 Glieder mit 270 Kirchengemeinden in vier Kirchenkreisen.

Johann Peter Wurm

Pommersche Evangelische Kirche

Die St. Jacobi-Kirche, deren Turm 1955 durch einen Brand zerstört wurde,
im Hintergrund der Dom St. Nikolai, Greifswald 1955
Dank der kampflosen Übergabe an die Rote Armee am 30. April 1945
blieb Greifswald von Kriegszerstörungen verschont.
Bundesarchiv Bild 183-29935-0003

Die Kirchenprovinz Pommern als Teil der »Evangelischen Landeskirche der altpreußischen Union« umfasste 52 Kirchenkreise mit 708 Gemeinden, darunter fünf reformierte. Die geistliche Leitung teilten sich 1923 – 1933 zwei Generalsuperintendenten: Den Westsprengel betreute D. Walter Kähler, den Ostsprengel D. Paul Kalmus. Beide gehörten zur Gruppe »Evangelium und Kirche«. Ihr gemeinsames Verwaltungszentrum lag in der Provinzhauptstadt Stettin – Pommerns einziger Großstadt. Als akademisches Ausbildungszentrum fungierte die Theologische Fakultät Greifswald.

Bereits bei den Kirchenwahlen 1932 erhielten die »Deutschen Christen« (DC) mit 76 zu 31 Stimmen die Mehrheit in der Provinzialsynode. Der Beginn der NS-Herrschaft 1933 wurde auf breiter Front begrüßt; in Konsistorium und Kirchenleitung vollzog sich rasch ein Führungswechsel. Die Generalsuperintendenten und knapp ein Drittel der Superintendenten wurden zum Rücktritt gezwungen und der Pustaminer Pfarrer Karl Thom (DC) zum Provinzialbischof gewählt.

Parallel zur Polarisierung in der preußischen Gesamtkirche spaltete sich auch in Pommern die Pfarrerschaft in widerstreitende Kirchenparteien. Der 1934 entstehenden »Bekennenden Kirche« (BK) schlossen sich bis zum Höhepunkt der Entwicklung im Jahr 1935 etwa 340 pommersche Pfarrer an. 1936 legten von 54 Prüfungskandidaten 21 die Theologischen Examina vor der BK-Kommission ab.

Schon vor dem frühen Tod von Bischof Thom 1935 war die deutschchristliche Bewegung Pommerns im Niedergang begriffen. Nicht zuletzt durch die flexiblere Kirchenleitung unter Propst D. Heinrich Laag wie auch durch die Vermittlungstätigkeit des pommerschen Provinzialkirchenausschusses 1935 – 1937 verschoben sich die kirchenpolitischen Kräfte hin zur kompromissbereiten Mitte. Die zunehmend kirchenfeindliche Politik des NS-Staates, eine wachsende Zahl von Behinderungen und staatspolizeilichen Eingriffen verunsicherte ab 1935 viele in ihrem Engagement.

1939 wurden nur noch 72 BK-Pfarrer gezählt. Sie gehörten mehrheitlich zum »Dahlemitischen« BK-Flügel, der seinen Nachwuchs aus dem BK-Predigerseminar Finkenwalde unter Leitung von Dietrich Bonhoeffer erhielt. 1942 schloss die Gestapo schließlich das Stettiner BK-Büro; die meisten »Dahlemiten« kamen als Wehrmachtsangehörige ums Leben.

 

Der Neubeginn der pommerschen Landeskirche nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs fand unter schwierigsten Bedingungen statt: etwa 1,8 Mio Pommern waren heimatlos geworden, ein Großteil der jüngeren Männer war tot oder in Kriegsgefangenschaft geraten, Kinder, Frauen und Alte kämpften mit existentiellen Nöten, Willkür und Gewalt. Allerorten gab es Spannungen zwischen Alteingesessenen und Flüchtlingen. Die unwiderruflich geteilte Kirchenprovinz stand vor drängenden Problemen: 34 Kirchenkreise – einschließlich Stettin in Vorpommern – standen unter polnischer Verwaltung.

18 Kirchenkreise mit 211 Gemeinden und 243 Pfarrstellen, von denen mehr als ein Drittel unbesetzt war, lagen in der Sowjetischen Besatzungszone. Das kirchliche Verwaltungszentrum war verlorengegangen, die kommissarische Greifswalder Kirchenleitung nur eingeschränkt arbeitsfähig, die interne Zerrissenheit infolge der kirchenpolitischen Auseinandersetzungen der vergangenen zehn Jahre unbewältigt. Nachdem die ersten Nachkriegsjahrzehnte unter Bischof Friedrich-Wilhelm Krummacher von scharfen Angriffen durch die SED geprägt waren, setzte sein Nachfolger Horst Gienke ab 1972 auf eine Zusammenarbeit, die staatliche Unterstützung beim Kirchbau und anderes zur Folge hatte. Durch die Kooperation von Teile n der Kirchenleitung mit SED und Staatssicherheit verlor die Landeskirche Glaubwürdigkeit und innerkirchliche Autorität. 1989 erreichte die Synode Bischof Gienkes Rücktritt.

Von den 680 000 Mitgliedern 1950 hatte die Pommersche Evangelische Kirche, wie sie seit 1990 wieder hieß, im Jahr 2010 noch 94 000 mit 295 Kirchengemeinden in vier Kirchenkreisen.

Irmfried Garbe