Willy Brandt in Warschau,
7. Dezember 1970
Der Kniefall des deutschen Bundeskanzlers vor dem Denkmal für die Aufständischen des Warschauer Ghettos war 1970 höchst umstritten. Erst später wurde dies als bedeutende historische Geste wahrgenommen, die die gesellschaftliche Perspektive auf den Nationalsozialismus veränderte.
Sven Simon, ullstein bild 01204223
In der Frühzeit des Kalten Krieges war die Evangelische Kirche – wie die gesamte bundesrepublikanische Gesellschaft – antikommunistisch geprägt.
Die oft traumatischen Erfahrungen der Menschen bei ihrer Flucht aus den Ostgebieten und der Vertreibung durch die Rote Armee ließen ihnen den Kommunismus als Schreckensbild erscheinen. Sie nahmen nicht wahr, mit welch ungeheuren Anstrengungen und Opfern die Bevölkerung der Sowjetunion die Befreiung vom Nationalsozialismus erreicht und bezahlt hatte.
Im Bereich der nordelbischen Kirchen hielt sich dennoch die Überzeugung, der Krieg gegen die Sowjetunion sei im Grunde gerechtfertigt gewesen. Besonders in der schleswig-holsteinischen Landeskirche ging man mit Bespitzelung und Rufschädigung gegen jene Pastoren vor, denen Sympathie für linke Strömungen nachgesagt wurden.
In der Ausstellung wird der Fall Wolfgang Baader beispielhaft dokumentiert. Als Mitglied von NSDAP und SS arbeitete er im Bereich »Volksaufklärung und Propaganda« und setzte seine Tätigkeit nach 1945 im Kampf gegen angeblich linke Kräfte innerhalb der Kirche fort. Eine neue Weichenstellung brachte erst die Ostdenkschrift der EKD 1965 mit ihrer Versöhnungsbotschaft, die allerdings in den nordelbischen Kirchen höchst umstritten war. Polarisierungen von rechts wie von links prägten die innerkirchliche Auseinandersetzung bis in die 1980er Jahre.